taz-Journalistin zu Inflationssorgen und Entlastungspaket: „Müssen sehen, dass wir durch den Winter kommen“

Angesichts stark steigender Energiepreise sieht Ulrike Herrmann, Wirtschaftskorrespondentin der taz, die reale Gefahr einer Überforderung der Menschen. „Leute, die mit Gast heizen sind besonders betroffen“, gibt Herrmann im Gespräch mit SWR2 zu bedenken, denn bei den Gaspreisen zeichne sich eine Verdoppelung – und mögliche Verdreifachung – ab. Die gelernte Bankkauffrau sieht aktuell drei Preisspiralen: Bei Energie, wo die Gefahr bestehe, dass diese Kosten auf die Verbraucher abgewälzt werde. Zweitens bei knappen Gütern, bei denen die Verlockung groß sei, sie teurer zu verkaufen. Und als drittes bei den Löhnen, die die Arbeitnehmer einforderten. Herrmann Kommentar zur so genannten „Konzertierten Aktion“ von Arbeitgebern, Gewerkschaften, Wissenschaft und Politik, die am Montag von Bundeskanzler Scholz wiederbelebt wurde, lautet daher: „Es ist richtig, dass sich die Akteure an einen Tisch setzen.“ Die von der Bundesregierung angekündigten Einmalzahlungen sind aus Herrmann Sicht unzureichend. „Da sind Fehler gemacht worden – das ist das Prinzip Gießkanne.“ So kämen nur circa 2 Milliarden Euro des 30-Milliarden-Euro-Pakets bei den wirklich Bedürftigen an. Für sinnvoll hält die Journalistin dagegen eine Erweiterung des Wohngeld-Anspruchs für Menschen, die durch Arbeit mehr als die Hartz-IV-Sätze verdienen: „Wenn man sagen würde, okay – es dürfen mehr Arme Wohngeld beantragen, dann könnte man diese Gruppe gezielt unterstützen.“ Ähnliches gelte auch für eine „Energiepreisdeckelung“, die die neue DGB-Chefin Fahimi angeregt hat. Wahrscheinlich, so Herrmann, werde dann zwar weniger Energie gespart, aber es gelte: „Wir müssen sehen, dass wir durch den Winter kommen.“ Diesen pragmatischen Ansatz solle man beibehalten, auch falls die Inflationskurve abflache, die Preise aber auf hohem Niveau blieben. Herrmann Rat: „Selbst wenn die Inflationsrate ein wenig sinkt, muss man dafür sorgen, dass die Leute über die Runden kommen.“ Ulrike Herrmann hat vor dem Studium der Geschichtswissenschaft und der Philosophie eine Lehre als Bankkauffrau absolviert. Sie arbeitet seit dem Jahr 2000 für die „taz“, seit 2006 als Wirtschaftskorrespondentin. Für ihre Artikel erhielt sie 2015 den Preis für Wirtschaftspublizistik der Keynes-Gesellschaft und 2019 den Otto-Brenner-Preis Spezial. Hermann hat zudem mehrere Bücher verfasst, darunter „Hurra, wir dürfen zahlen“ (2010), „Der Sieg des Kapitals“ (2013) und „Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen“ (2019).

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